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Sarah Born in der Rolle der Lina Loos im Film LINA

„LINA war definitiv eine Traumrolle“

Interview mit der Hauptdarstellerin der Lina Loos in LINA, Sarah Born 

Liebe Frau Born, auf Ihrer Website habe ich gelesen, dass Sie eine sehr vielseitige Ausbildung genossen haben, u. a. haben Sie eine Zirkusschule besucht und eine Gesangsausbildung absolviert. Wollten Sie immer schon Schauspielerin werden oder womöglich lieber Zirkusartistin oder Sängerin oder etwas ganz anderes?

Meine Schwester ist Zirkusartistin und ich hab sie immer sehr bewundert, als ich klein war. Aber so, wie sie als Kind immer gesagt hat: „Ich will Clown werden!“, hab ich mir gedacht: Ich will Geschichten wirklich erleben und nicht nur zuschauen oder zuhören müssen!

Das andere hat sich so ergeben, weil’s Spaß gemacht hat, und ich freue mich immer, wenn ich Zirkus und Gesang mit dem Spielen verbinden kann. Allerdings hat es davor auch eine Phase gegeben, während der ich unbedingt Bäuerin und dann Film-Tiertrainerin werden wollte …

Wie sind Sie zur Rolle der Lina Loos gekommen?

Das Regieteam war bei unserem Schauspielschul-Abschlussstück und hat mich anschließend zum Vorsprechen eingeladen – das super nett war, weil Walter, der Produzent und Hauptregisseur (Anm.: Walter Wehmeyer), eigens Apfelkuchen für alle eingeladenen SchauspielerInnen gebacken hatte! Dann gab es eine erste, eine zweite und ein dritte Vorsprechrunde mit unterschiedlichen Kollegen und Kolleginnen und in unterschiedlichen Konstellationen. Und dann war ich kurz vor meiner Diplomprüfung mit meiner Familie übers Wochenende irgendwo in den Bergen unterwegs – als ich die Nachricht bekommen habe, dass sie mir gerne die Rolle der Lina anbieten würden. Da hab ich erst mal ein bisschen herumlaufen müssen, um nicht vor Glück und Freude zu platzen – ich glaub, es war ein sehr lustiges Bild für meine Familie.

Haben Sie sich auf die Rolle speziell vorbereitet? Und wenn ja, wie?

Zuerst habe ich mich eine Weile mit dem Drehbuch und dem Fin de Siècle in Wien beschäftigt. Dann haben wir mit den unterschiedlichen Regisseuren die jeweiligen Szenen geprobt. Wir Schauspieler und Schauspielerinnen hatten einen guten Draht zueinander und haben uns vor allem in den Wochen vor dem Dreh immer wieder getroffen. Da haben wir über unsere Figuren und Bücher, die wir zu der Zeit gelesen hatten, geredet oder sind ins Museum gegangen. Mit Johannes (Johannes Schüchner, Anm.), der den Loos spielt, hab ich mich in das original Wohnzimmer des Ehepaares Loos aus der Bösendorferstraße im Wien Museum gesetzt und dann haben wir einfach mal geschaut, wie der Raum auf uns wirkt. Wien ist gerade für historische Geschichten eine großartige Stadt, weil man nur auf die Straße zu gehen braucht und schon steht man quasi an Originalschauplätzen – die einfach schon viel mit einem machen.

Fühlen Sie eine gewisse Seelenverwandtschaft mit Lina Loos, was es womöglich erleichtert hat, in diese Rolle zu schlüpfen?

Ja, es gibt einige Dinge an Lina – oder zumindest das, was sich rekonstruieren lässt –, was mich sehr bewegt und inspiriert und dem ich mit großer Achtung begegne – z. B. ihren Mut und ihre Konsequenz, ihren eigenen Weg zu gehen und sich selbst treu zu bleiben, sich zu vertrauen, auch wenn einem die Gesellschaft und sein Umfeld andauernd sagt: „Nein, so wie du das machst, ist das nicht richtig.“

Ich kann mich erinnern, ich bin irgendwann mal zwischen Vorsprechrunde zwei und drei in der U-Bahn gestanden und bin fast von dem Gefühl überrollt worden, dass ich einfach tot umfalle, wenn ich Lina nicht spielen darf! Zum Glück ist es nicht so gekommen.

Nein, so krass ist das dann in der Realität natürlich nicht – aber man kann sehr viel von seinen Figuren lernen, und ich glaube, dass es sehr wichtig ist, eine große Leidenschaft, Nähe oder Hingabe für eine Figur zu empfinden, das erleichtert vieles – vor allem auch dann, wenn mal die Bedingungen in der Produktion schwierig werden.

Was sind Ihre aktuellen Projekte?

Wir haben gerade die Dokufiction „Manaslu – Berg der Seelen“ unter der Regie von Gerald Salmina auf 3500 m abgedreht – da wird die Luft schon recht dünn da oben … In dem Film geht es um den Extrembergsteiger Hans Kammerlander und seine Besteigungsversuche des Manaslu in Nepal. Ich spiele Brigitte Kammerlander, seine Frau, die damals via Funk miterleben musste, wie ihr Mann und zwei ihrer besten Freunde in einen fürchterlichen Sturm gerieten, den nur Hans überlebt hat.

Und dann bereite ich mich gerade auf ein neues Projekt vor – für das im März/April gedreht wird. …

Bevorzugen Sie Film- oder Theaterrollen oder ist Ihnen beides gleich lieb?

Hmm, schwierig – das sind zwei schwer zu vergleichende Formate. Die Arbeit und vor allem die Technik ist ganz anders. Ich bin streckenweise im Theater aufgewachsen, Film ist jetzt erst in den letzten Jahren dazugekommen. Im Theater ist alles möglich und Drehen ist eine Abenteuerreise – ich möchte beides nicht missen.

Sie waren ja kürzlich 3 Monate in New York in einem Schauspielstudio im Rahmen eines Stipendiums … Ist eine Karriere am Broadway oder in Hollywood ein Traum von Ihnen?

Haha, ich sag natürlich nicht Nein, wenn sich was ergibt – aber der große Traum ist es nicht. Ich mag die Zeit und die, nennen wir es mal, Ruhe, die man für Projekte hier in Europa hat. In Amerika trainieren ist (im sprichwörtlichen Sinne) ein „Trainieren mit Gewichten“, das verlangte Niveau ist sehr hoch, weil es einfach so unglaublich viele gute Leute gibt – d. h. gut ist nie gut genug, wenn man zwischen 1000 MitbewerberInnen Aufmerksamkeit auf sich lenken möchte. Zu dem System kann man stehen, wie man will – aber es zwingt einen, sich als SchauspielerIn ständig weiterzuentwickeln und das ist etwas, was mir schon sehr taugt …

Wie unterscheidet sich eine Schauspielfortbildung in den USA von einer Schauspielausbildung in Europa?

In Europa sagen sie einem 1 + 1 = 2 (vielleicht manchmal 3), in den USA 1 + 1 = „whatever you want“. Europa – oder das Europa das ich erlebt habe – ist sehr schematisch. Es geht viel darum, „so macht man das hier und so macht man das nicht, das ist gut und das ist kacke“ und „ich bin der Dozent, also hast du das so zu machen, wie ich mir das vorstelle“. So etwas hilft einem natürlich auf einer technischen und handwerklichen Ebene, aber es ist eben auch restriktiv. In Amerika – so wie ich das jetzt erleben durfte – geht es vor allem um Selbsterforschung und Training einer tiefgreifenderen Selbstwahrnehmung. Das hilft, um sehr persönlich, unmittelbar und vor allem ganzheitlicher spielen zu können – das Verhalten, das dabei entsteht, ist sehr menschlich und menschliches Verhalten – im Rahmen der jeweiligen Geschichte, die erzählt wird –, das wahrhaftig ist, kann nie richtig und nie falsch sein.

Ich fand das Training in den USA sehr befreiend und inspirierend und bin gleichzeitig dankbar für die europäische Technik – für mich ist das eine super Ergänzung und Bereicherung.

Welche Frauengestalt würden Sie gerne darstellen, d. h., haben Sie eine Traumrolle?

 Lina war definitiv so eine Traumrolle! Im Moment würde ich total gerne eine „Bösewichtin“ spielen.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Hmm, irgendwo, wo es Sonne gibt und es warm ist – da lässt sich der Winter leichter aushalten …

Herzlichen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!

 

Ich bedanke mich auch beim Produzenten und Co-Regisseur Walter Wehmeyer, der mir neben zahlreichen Hintergrundinformationen auch die Bilder aus LINA bzw. von den Dreharbeiten zur Verfügung gestellt hat: www.walter-wehmeyer.com

Wer mehr über Lina Loos erfahren will, dem empfehle ich auch die Lektüre von „Lina Loos – oder wenn die Muse sich selbst küsst” von Lisa Fischer (erschienen im Böhlau Verlag)